Hiob – oder: Warum ich?

Die biblische Figur steht sinnbildlich für den Menschen, der sich mit seinem Schicksal auseinandersetzen muss – verbunden mit der Wut und Ohnmacht. Seelsorger Manfred Kulla hat ein Sprechtheater verfasst, das an der «Langen Nacht der Kirchen» aufgeführt wird.

Manfred Kulla, wovon handelt Ihr Stück «Mensch Hiob. Gedanken zum Leid». Ist es eine klassisches Bibeltheater?
Nein, das Stück ist ein fiktives Streitgespräch zwischen Hiob und Gott und hat die Frage nach Gerechtigkeit zum Thema. Es hat so keinen historischen Hintergrund, sondern es hat Gültigkeit für die Gegenwart. Hiob wirft Gott vor, nicht nur ihn ungerecht behandelt zu haben, sondern auch einem Paar nicht beigestanden zu haben. Die Frau war krebskrank und ist gestorben. Gott hätte helfen können, so der Vorwurf von Hiob. Hiob unterstellt Gott, entweder er sei unfähig zu helfen oder er wolle einfach nicht helfen.

Sie wagen sich an eine grosse Frage im Stück: Gibt es Gerechtigkeit, im Leben des Menschen? Haben Sie für sich eine Antwort gefunden beim Schreiben?
Die Frage nach Gerechtigkeit ist zu komplex, um eine einfache Antwort geben zu können. Das Stück möchte nicht einfach Antworten liefern, sondern den Zuhörenden anregen, sich selbst mit der Frage nach Gerechtigkeit auseinanderzusetzen. Es möchte dazu ermutigen, mit Gott zu streiten – zum Beispiel im Gebet. Dann besteht die Möglichkeit, die Frage für sich selbst zu beantworten.

Hiob ist eine biblische-historische Figur. Andere Zeit, andere Ort. Was hat er mit Menschen in Zürich 2023 zu tun?
Bereits der biblische Hiob steht stellvertretend für den leidenden Menschen, der mit seinem Schicksal ringt. Auch heute erleben Menschen, Ungerechtigkeit, zerbrechen fast an ihrem Schicksal, unverschuldet in Not geraten zu sein, Angehörige verloren zu haben oder unter ungerechter Gewalt zu leiden. Darum bietet sich die Gestalt des Hiobs auch an, die Frage nach Leid in unserem Leben allgemein zu problematisieren. Hiob ist aktuell, denken sie nur an die vielen Unschuldigen, die jetzt unter dem Ukraine-Krieg zu leiden haben.

Im Stück ist auch Ihre Lebensgeschichte eingewoben. Haben Sie gekämpft beim Schreiben oder war dies eine besondere Erfahrung.
Ich greife meine eigene Lebensgeschichte insofern auf, da es um einen Mann geht, dessen Frau aufgrund ihrer Krebserkrankung stirbt. Aber das Stück handelt nicht von mir und meiner Frau. Beide Personen sind namenlos. Mir geht es darum, dass Schicksal abertausender Menschen sichtbar zu machen, die unter den Folgen einer Krebserkrankung zu leiden haben – sei es als Angehörige oder als Direktbetroffene. Meiner Erfahrung nach, wird Krebs in unserer Gesellschaft immer noch tabuiert. Ich wollte diesem stillen Leiden eine Stimme geben. Mir persönlich hilft das Schreiben, meine Erfahrungen und meine schmerzlichen Erlebnisse zu verarbeiten.

Was ist die Antwort des Stücks für alle Hiobs der Stadt Zürich, die am Abend des 2. Juni nicht anwesend sein können?
Die Botschaft an die Hiobs in der Stadt Zürich lautet: spreche dein Leid aus, ja klage selbst Gott an. Das darfst Du, denn dies ist ein Gott, der ein offenes Ohr hat für Dich und der ertragen kann, dass Du ihn anklagst. Spreche Dein Leid aus, so kannst Du von der Last des Leides befreit werden.

    

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