“Beichten ist eine Form des Coachings”

Beichten hat aus unseligen Zeiten heute ein eher zwiespältiges Image in der breiten Öffentlichkeit. Manfred Kulla, Diakon und Seelsorger in Herz Jesu Oerlikon, zeigt auf: Beichte ist kein Strafgericht, sondern eine Erleichterung der Seele.

Manfred Kulla, mit Beichte verbindet man landläufig Schuld und Strafe. Wie sehen Sie das?
Es ist wie mit dem Besuch des Zahnarztes: Auch wenn ich selbst noch nie beim Zahnarzt war, ahne ich: Das könnte schmerzhaft werden.

Dann gehe ich lieber nicht hin …
Wichtig ist, dass ich mein Unbehagen ernst nehme und mich aber trotzdem auf die Beichte einlasse, wie ich das schlussendlich beim Zahnarzt auch tue. Bei der Beichte steht nämlich nicht die Strafe im Vordergrund, sondern mein Bedürfnis, ein Versagen oder eine persönliche Schuld vor Gott zu tragen, um von dieser Last befreit zu werden. Dem Eingestehen der eigenen Schuld folgt dann konsequent der Vorsatz, das eigene Verhalten zu ändern oder eine Widergutmachung in die Wege zu leiten.

Müsste man das Bild ändern? Wie sollte man die Beichte heute betrachten?     
Modern formuliert ist die Beichte eine Form des Coachings mit Hilfe des Priesters, der mir im Auftrag der Kirche hilft, aus der Verstrickung von Schuld und Versagen herauszufinden und mit neuem Mut mein Leben zu meistern.  

Manfred Kulla, Herz Jesu Oerlikon

Wie kann mir Beichte guttun, rein psychologisch erklärt?
Manchmal ist es nicht möglich, über das eigene Versagen mit den eigenen Bezugspersonen zu sprechen. Dann eröffnet das Beicht-Gespräch die Möglichkeit, das Versagen auszusprechen, so dass es nicht mehr als grosser bedrohlicher Schatten mit mir untrennbar verbunden ist. Der Beichtende darf tatsächlich durch die Lossprechung durch den Priester die Barmherzigkeit Gottes erfahren. Gott vergibt ihm seine Schuld

Ganz konkret, wie könnte dies aussehen?
Ich erinnere mich an einen Mann, der spürte, dass sein Fehlverhalten nicht nur seine Ehe belastete, sondern auch sein Verhältnis zu Gott. Die Lossprechung durch den Priester in der Beichte, gab ihm die Kraft, einer Ehetherapie einzuwilligen – nicht zuletzt auch für sich selbst.

Das braucht viel Vertrauen. Muss mir der Priester persönlich nahestehen – oder eher nicht?
Das kommt ganz darauf an. Wenn mir die Anonymität des Beichtstuhles hilft, mein Anliegen auszusprechen, dann wäre ein persönliches Verhältnis zum Priester eher hinderlich. Wer aber das persönliche Vertrauensverhältnis braucht, wendet sich an einen Priester, der ihm nahesteht. Verstehe ich das Beicht-Gespräch als persönliches Coaching, dann ist ein Vertrauensverhältnis zwingend notwendig.

Und wie oft soll man zur Beichte gehen? Oder wann?
Gehen sie immer dann zur Beichte, wenn Sie das Gefühl haben, sie täte ihnen jetzt gut. Das kann bedeuten, dass sie mehrmals im Jahr zur Beichte gehen oder nur zweimal. Als Faustregel würde ich Ihnen empfehlen: gehen sie immer dann zur Beichte, wenn sie sich selbst nicht mehr in Augen schauen können.

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