Glocken läuten für die Corona-Opfer

Sie läuten jeden Mittag. Doch am Freitag werden die Kirchenglocken in der Stadt Zürich für die Opfer der Corona-Pandemie läuten – auch für jene, die sich in dieser schweren Zeit für die Betroffenen einsetzen. Dekan Marcel von Holzen im Interview.

Marcel von Holzen, das Läuten der Glocken kommt zu einem Zeitpunkt, an dem viele vehement den Sprung in die Normalität fordern. Ist das Läuten auch ein Akt gegen das Vergessen?

Da Corona uns sicher noch länger beschäftigen wird, glaube ich nicht, dass wir diese Thematik so schnell vergessen werden. Vielmehr scheint mir wichtig, dass bei der Fülle von Corona-Fragen – gerade im Hinblick auf die Zukunft – nicht vergessen geht, wie viele Menschen dieser Pandemie zum Opfer gefallen sind. Dazu zähle ich auch die zahlreichen Menschen, die den Verlust von Angehörigen zu betrauern haben.

Marcel von Holzen, Dekan Zürich-Stadt

Vor rund einem Jahr wurde unser Alltag mit Corona auf einen Schlag auf den Kopf gestellt. Was hallt bei Ihnen heute am meisten nach?

Die Verletzlichkeit einer globalisierten Gesellschaft und die Erkenntnis, dass eine solche Krise nur miteinander und nicht gegeneinander gemeistert werden kann.

Die Situation hat etwas Groteskes: Während die einen wieder ins Fitnessstudio oder ins Theater möchten, spitzt sich für andere die existentielle Not auf der Gasse zu. Wie gehen Sie persönlich mit dieser Spannung um?

Man kann den Menschen nicht verübeln, dass sie sich wieder auf Fitness, Sport und Kultur freuen. Umso mehr stehen die Kirchen in der Pflicht, gerade diejenigen, die am stärksten von der Krise betroffen, zu unterstützen. Gleichzeitig aber auch bei der restlichen Bevölkerung an die Solidarität zu appellieren. Wir sind eine Gemeinschaft, dass haben wir in der Zeit der Trennung von einander schmerzlich gespürt.

Es gibt auch Menschen, die in Corona eine Strafe Gottes zu erkennen glauben.

Wer Corona als Strafe Gottes versteh, muss dann auch in jedem Unglück eine göttliche Strafe sehen. Ich kann damit nichts anfangen. Vielmehr zeigt die Pandemie, dass je höherentwickelt, vernetzter und überbevölkerter eine Weltgesellschaft ist, desto heftiger wirkt sich eine solche Seuche aus – das sehe ich ganz nüchtern. Und genau so nüchtern versteh ich den Glaubensauftrag: lernen, damit bestmöglichst und segensbringend umzugehen.

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