News: “Man muss aufpassen, dass man nicht zynisch wird”

Die Nachrichten gehören gerade in Zeiten von Corona zur “Tagesversorgung” von uns allen. Wer sind aber die Menschen hinter den Nachrichten? Iwan Santoro ist Inlandredaktor bei Radio SRF 1. Er verrät im Interview, wie er mit der News-Flut umgeht und was dies mit seinem Glauben zu tun hat.

Iwan Santoro, welche Meldung hat Sie zuletzt persönlich berührt oder beschäftigt?

Die Situation in Burma. Ich konnte das unbeschreiblich schöne und mystische Burma vor ein paar Jahren bereisen und war sehr beeindruckt. Es herrschte Aufbruchstimmung, viele Menschen hegten grosse Hoffnungen in Aung San Su Kyi. Heute hat das Militär das Rad der Zeit zurückgedreht. Wie die Junta gegen die Bevölkerung vorgeht und so viele Todesopfer in Kauf nimmt, nur um ihre Pfründe zu sichern, beelendet mich. Auch dass die internationale Gemeinschaft nichts dagegen tut.

Belasten Sie die News oder werden die Nachrichten einfach Material für die Arbeit?

Natürlich hat man nach über 20 Jahren im Journalismus einen Panzer. Man muss aufpassen, dass man nicht zynisch wird. Aber ich stelle fest, dass es immer wieder Ereignisse gibt, die mich zu tiefst berühren und beschäftigen. Derzeit gibt es aber für uns Journalisten vor allem ein Thema, das seit über einem Jahr alles dominiert: Corona. Hier ist bei mir eine grosse Routine eingekehrt, um nicht zu sagen: Langeweile. Irgendwann ähneln sich die Beiträge und die Themen alle. Es gibt wirklich Spannenderes als immer über Impfen und Testen zu berichten und die neusten Zahlen zu vermelden. Aber ich befürchte, dass das Thema Corona uns noch weiter dominieren wird.

Kirchliche Themen dagegen tauchen meist nur noch im Zusammenhang mit Skandalen auf. Warum?

Ja, das ist eigentlich traurig. Aber auch hier gilt eben – “Bad News are Good News”. Und von der katholischen Seite her gibt es leider immer mal wieder Negatives zu berichten. Trotzdem schafft es die katholische Kirche deutlich mehr in die Schlagzeilen als die reformierte Kirche – und auch positiv: Ich schreibe das dem sogenannten «Bling-Bling»-Effekt zu: Mit ihrer klaren Hierarchie, ihren Riten, traditionellen Veranstaltungen schafft sie es doch immer wieder, Interesse auf sich zu ziehen. So wurde jüngst die Bischofsweihe im Churer Bistum live auf SRF Info übertragen. Von solch einer Präsenz kann die reformierte Kirche nur träumen.

Wie erleben Sie die Kirche aus professioneller Warte als Journalist?

Ich erlebe sowohl die reformierte wie auch die katholische Kirche in der Schweiz als offen. Allerdings begegnet einem die katholische Kirche mit spürbar mehr Skepsis – oder zumindest gewisse Kreise von ihr. Dabei kann die Kirche mit einem offenen Umgang mit den Medien nur gewinnen.

Ist der persönliche Glaube unter Journalisten ein Thema?

Nein – und das ist eigentlich auch richtig so. Glaube ist etwas Privates, ja Intimes. Es ist egal ob jemand christlichen, jüdischen oder muslimischen Glaubens ist. Das soll und darf die Arbeit nicht beeinflussen. Was aber nicht heisst, dass die Werte, die einem eine christliche Erziehung mit auf den Weg gibt, keinen Einfluss auf die Art der journalistischen Arbeit haben soll und darf.

Welchen Raum nimmt der Glauben bei Ihnen im Alltag ein?

Ich würde mich eigentlich als “Kulturkatholiken” bezeichnen. Ich bin sehr katholisch aufgewachsen: Es war ganz natürlich, dass mein Bruder und ich als Ministranten dienten und in die Jungwacht gingen, das lag in unserer Familie. Wir hatten eine sehr fromme Grossmutter. Sie war eine glühende Marienverehrerin, insbesondere die Schwarze Madonna von Einsiedeln gab ihr viel Kraft. Sie hatte sogar in der Klosterkirche in Einsiedeln geheiratet. Mit unserer Grossmutter beteten wir auch häufig zu Hause den Rosenkranz.

Das klingt heute schon fast exotisch.

Ich weiss. Diese Rituale werden heutzutage von vielen belächelt und als antiquiert abgetan. Stattdessen suchen aber dieselben Menschen, nach Formen und Orten der Meditation, um zur Ruhe zu kommen. Was anderes ist «Rosenkranz» beten als Meditation?

Sie haben bereits einmal einen Abschnitt auf dem Schweizer Jakobsweg zurückgelegt. Planen Sie den grossen Jakobsweg einmal zu gehen?

Ja, ich legte zusammen mit einem Freund die Strecke von Konstanz nach Einsiedeln zurück. Es war sehr anstrengend aber grossartig. von daher: Eine längere Pilgerreise könnte ich mir durchaus vorstellen, das müsste aber nicht der Jakobsweg sein. Dieser ist mittlerweile zu überlaufen. Aber von Zürich zu Fuss nach Rom zu wandern, das würde mich reizen. Das stelle ich mir übrigens auch abenteuerlich vor. Denn spätestens in Italien ist es vorbei mit der genauen Wegbeschilderung (schmunzelt). Aber bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom …

Zurück