Apostel Paulus und Kult-Comics-Zeichner Ralf König an “Zürich liest”

Im Rahmen des Festivals «Zürich liest» ist der schwule Comics-Zeichner Ralf König am 29. Oktober mit seinem Buch «Der Antityp» zu Gast. Veranstalter sind die Paulus Akademie und Katholisch Stadt Zürich. Es wird ein Abend mit Überraschungen geben.

Ralf König, warum haben Sie sich mit der Figur des Paulus auseinandergesetzt? Bewunderung? Hassliebe?
Ich denke, dass das meiste sexualfeindliche, dass von den Kirchen ausgeht, auf Paulus zurückgeht, der seinen Körper bekanntlich nicht sehr mochte. Von «Bewunderung» kann also keine Rede sein. Aber «Hassliebe» wäre zu viel der Ehre. Der Apostel war der logische dritte Teil meiner Bibel-Trilogie mit dem Schritt ins Neue Testament. Zur Figur Jesus wäre mir wenig eingefallen.

Ach ja, warum?
Jesus, wer immer das war, sehe ich unter all der Legendenbildung mit all den Geschichten und Wundern als positive Figur. Paulus predigt nur viel von Liebe, verdammt aber alles und jeden, der nicht seiner Gottesvorstellung folgt. Wer nicht an seinen Gott glaubt, fährt zur Hölle. Das ist das Gegenteil von Sanftmut, Verständnis und Liebe. Nein, ich mag ihn nicht, er hat die ursprüngliche Idee von Vergebung und Toleranz ins Gegenteil verkehrt. Darum erscheint ihm bei mir nach dem Sturz vom Pferd auch nicht Jesus, sondern die Schlange.        

Comicszeichner Ralf König

Was ist ihre Geschichte mit der katholischen Kirche?
Ich bin in einem Dorf im katholischen Westfalen aufgewachsen, mit Religionsunterricht und Schulmessen. Die Botschaft war immer, dass Sexualität an sich schon heikel ist und Homosexualität nicht gottgewollt ist. Das habe ich schon als Kind gelernt, als ich die ersten Gefühle in der Richtung entwickelte. Zum Glück waren meine Eltern nicht sonderlich gläubig und haben mich damit in Ruhe gelassen. Ich fand Gläubige mit diesen Bibelgeschichten nur immer befremdlich. Es widersprach schon sehr früh meinem Weltbild, und als Teenager entdeckte ich die Bücher des Naturwissenschaftlers Hoimar von Dithfurth, über Evolution, Gehirn und Weltall. Da ging dann mir ein Licht auf! Ich kann nicht verstehen, wie man noch heute in Zeiten von Fake News diese zweitausend Jahre alten Geschichten zum Maßstab seiner Ethik machen kann.

Besser keine Kirche?
Ich bin tolerant, jeder soll glauben, was er will. Aber jeder darf auch infrage stellen, was er will, und ich tu das als Comiczeichner mit Humor. Aber mit hoffentlich intelligentem.      

Der Paulus ihres Buches ist weniger eine Lichtgestalt als in der Bibel. Wollte Sie ihn vom Sockel stürzen?
Naja, er ist ja nicht vom Sockel gestürzt, sondern vom Pferd. Ich sehe ihn halt nicht als Lichtgestalt. Seine Zeitgenossen übrigens auch nicht, drum möge man mir das nachsehen. Damals als Kind im Religionsunterricht dachte ich, dass die Menschen vor 2000 Jahren vielleicht so wirr sprachen, dass wir das heute kaum noch verstehen können. Aber der Philosoph Seneca war Paulus’ Zeitgenosse und den verstehen wir immer noch sehr gut. Es liegt also wohl an Paulus, dass er auch ‚komisch‘ rüberkommt.  

Paulus’ Kerngeschäft war die Sünde. Was ist für Sie «Sünde»?
Zum Beispiel Überbevölkerung, Massentierhaltung, Rodung der letzten Wälder, Machtmissbrauch, Unterdrückung von allem, was der Mehrheit fremd ist, aber auch nur leben und lieben will, also Homosexuelle oder Transsexuelle oder auch nur Frauen mit ihren Rechten. Wären die Kirchen hier mit Moralvorstellungen ganz weit vorne, wäre es imponierend. Aber stattdessen sehen wir in Rom eine rückwärtsgewandte alte Männer-Tragödie. Das ist beim Stand der Menschheit nicht nur schade, das ist fatal.

Wie reagieren Katholiken auf Ihre Bücher?
Ich habe bei Erscheinen meiner Bibel-Trilogie mit einigen Theologen und Priestern diskutiert, die sehr aufgeschlossen und humorvoll waren und die Bücher wirklich mochten. Ich habe sogar im bayerischen Olching in einer Kirche während eines Gottesdienstes eine Szene aus meinem «Antityp» gelesen, die Leute haben sehr gelacht. Und danach das Vaterunser gebetet. Hier in Köln hatte ich eine große Ausstellung im Stadtmuseum mit meiner Version der Heiligen Ursula und den «Elftausend Jungfrauen»! Der katholische Priester der Ursula-Basilika hat uns begeistert unterstützt! Gut, Kardinal Meissner war weniger amüsiert… Aber ich bin überzeugt, dass Gläubige und Ungläubige sich was zu erzählen haben und gemeinsam lachen können. Aber was unseren Umgang mit dem Planeten angeht, sind wir alle Sünder, ob gläubig oder nicht. 

Sie lesen in einer katholischen Akademie und unter dem Patronat von Katholisch Stadt Zürich. Sind sie ein Masochist?
(lacht) Die Frage ist mir zu intim. Aber ich wurde ja eingeladen und hoffe auf ein aufgeschlossenes Publikum. Weil ich nie die Absicht hatte, zu beleidigen. Blasphemie interessiert mich nicht. Ich habe mich sehr mit den Stoffen auseinandergesetzt, das tu ich immer, und das merken die Leute. Ich habe die Paulusbriefe in mehreren Übersetzungen hoch und runter gelesen, um zu verstehen, was der Mann überhaupt meinte! Auch die Apostelgeschichte habe ich studiert und fand vor allem Paulus’ Reise ins antike Griechenland als Comicgeschichte unwiderstehlich. Ganz ursprünglich sollte das ganze Buch ja von einer Begegnung eines Philosophen wie Epikur mit Paulus erzählen, aber dann fand ich die ganze Bibelgeschichte zu unterhaltsam. Ich hoffe also, man empfängt mich in Zürich freundlich, ich habe mich an dem Apostel wirklich abgearbeitet.     

Kommen wir zum Schluss: Welche Frage werden Sie Paulus stellen, wenn Sie ihm im Himmelreich dereinst begegnen werden?
Dereinst kein Himmelreich für mich bitte, sorry.  Aber ich würde ihn fragen, ob er denn inzwischen mal hemmungslosen Sex hatte. Er hat ja alle Wonnen vom Irdischen aufs Jenseits verschoben, hoffentlich hatte er recht!

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